Bertolt Brecht — An die Nachgeborenen

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Theodor Fontane — Preußisches Volkslied

Ja, man ist uns vieles schuldig,
Ja, wir könnten freier sein.
Doch geduldig, nur geduldig,
Auch die Freiheit stellt sich ein.

Johann Wolfgang von Goethe — Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Johann Wolfgang von Goethe — Auszug aus der Tragödie "Faust"

F.:

Nun gut, wer bist du denn?
M.:

Ich bin ein Teil von jener Kraft,
die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
F.:

Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
M.:

Ich bin der Geist, der stets verneint!

Hermann Hesse — Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Erich Kästner — Wir sitzen alle im gleichen Zug

Wir sitzen alle im gleichen Zug

Und reisen quer durch die Zeit.

Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.

Wir fahren alle im gleichen Zug.

Und keiner weiß, wie weit.

Erich Kästner — Der letze Kapitel

Am 12. Juli des Jahres 2003

Lief folgender Funkspruch rund um die Erde:

Dass ein Bombengeschwader der Luftpolizei

Die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Günter Kunert — Leute

Kleine Leute, große Leute

gab es gestern, gibt es heute,

wird es sicher immer geben,

über, unter, hinter, neben...

Friedrich von Schiller — Hoffnung

Es reden und träumen die Menschen viel

Von bessern künftigen Tagen;

Nach einem glücklichen, goldenen Ziel

Sieht man sie rennen und jagen.

Die Welt wird alt und wird wieder jung,

Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Friedrich von Schiller — Handschuh

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.

Jacues Prevert — Die toten Blätter

Wie wünsch ich mir, du würdest dich erinnern
Der frohen Tage, da wir Freunde waren.
Das Leben war zu jener Zeit viel schöner,
Die Sonne glühender als heut.

Die toten Blätter schaufelt man zusammen,

Auch die Erinnerungen und das Leid.
Der Nordwind trägt sie mit sich fort.
In des Vergessens dunkle Nacht.
Du siehst, ich habe nicht vergessen
Das Lied, das du mir sangst.

Konstantin Simonow — Wart aud mich (Übersetzt von Klara Blum)

Wart auf mich, ich komm zurück,
Aber warte sehr.
Warte, wenn der Regen fällt
Gelb und trüb und schwer.
Warte, wenn der Schneesturm tobt,
Wenn der Sommer glüht.
Warte, wenn die andern längst,
Längst des Wartens müd –
Warte, wenn vom fernen Ort
Dich kein Brief erreicht,
Warte — bis auf Erden nichts
Deinem Warten gleicht.

Kurt Tucholsky — Ein anderer Mann

Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.

Er plaudert. Er ist zu dir nett.

Er kann dir alle Tenniscracks nennen.

Er sieht gut aus. Ohne Fett.

Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an ...

Und dann tritt zu euch beiden dein Mann.

Kurt Tucholsky — Wahre Liebe

Wenn ich so müd nach Hause komm,

zerredet und zerschrieben:

dann sitzt du da, so lieb und fromm.

Man muss, man muss dich lieben!

M. Lermontov — An *** (Я не унижусь пред тобою...)

Erniedrigt werd ich niemals leben.

Nicht Gruß noch Vorwurf können dir

Macht über meine Seele geben.

Von heute an sind Fremde wir.



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