Die Bienenkönigin

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne. Zwei davon waren so schlau, wie jeder Mensch schlau ist, also nicht all­zu viel, eher zu wenig. Aber den einen, es war wohl der jüngste, hielten sie für dumm. Sie klopften ihm gern von vorn auf den Kopf und nannten ihn einen »Dummkopf«.

Er sagte nichts dagegen, lachte nur, denn was konnte er tun? Sie waren stärker als er, waren sie doch auch älter. Zudem liebte er den Frieden.

In der Schule hatte er mehr schlechte als gute Zensuren, was daher kam, dass auch der Lehrer ihn für einen Dummkopf hielt. Er hieß — sagen wir — Frieder.

Er pfiff mit den Vögeln, ließ die Schmetterlinge in Frieden, kannte alle Katzen und Hunde in der Umgebung und teilte mit ihnen sein Frühstücksbrot. Und fiel dem Vater eine Biene ins Bier, rettete er ihr das Leben. Eines Tages werden die Bienen es ihm lohnen, und wenn nicht — was macht's!

»So dumm müsste man sein«, lachten die Brüder, »dass man einer Stechbiene das Leben rettet. Ha!«

Als die drei in das Alter kamen, wo sich der Mensch in der Welt ausbreiten möchte, heiraten, Kinder kriegen, gingen die beiden auf jedes Tanzvergnügen, saßen in Kneipen herum, um eine Frau zu finden.

Jeder eine, so wie er sie brauchte.

Nur der Frieder nicht.

»Die Zeit wird's verlohnen«, sagte er, ging im Wald und auf den Wiesen herum, belauschte die Vögel, saß stundenlang unter einem Baum, und wenn die Brüder ihn sahen, lachten sie und riefen: »Dieser Dummkopf ist auch noch zu dumm, um eine Frau zu finden.«

Frieder aber konnte so einen Tag um den anderen verbringen.

Es dauerte aber nicht lange, da fanden die beiden älteren Brü­der jeder eine Braut. So fand der erste eine, welche die Tochter eines Leberwurstfabrikanten war. Das war ihm grad recht, denn eine Fabrik wollte er gern haben. Zudem aß er Leberwurst auch nicht gerade ungern. Er überlegte also nicht lange, hielt um ihre Hand an, und weil er ein wenig von der Buchführung verstand, war der Leberwurstfabrikant gern einverstanden. Das Mädchen nicht minder, denn sie hatte noch nicht viel über die Ehe nach­gedacht.

Doch nach zwei Jahren zeigte es sich, dass ihr Mann von der Buchführung zu wenig wusste, obendrein soff. Sie war eine Streithenne und so passten sie zusammen wie Feuer und Wasser, das Leben war eine Höllenqual. Das aber passte dem Fabrikan­ten nicht so recht, und er verkaufte die Wurstfabrik, nahm sich eine junge Frau und zog mit ihr und dem Geld an die Costa Brava in einen Bungalow. Den beiden überließ er ein paar Do­sen Leberwurst, das war alles.

Der zweite lernte bei einem Tanzvergnügen die Tochter des Autohändlers »Wrtwra-Auto-Import-Export« kennen. Und weil er sagte, er wüsste einiges über den Export, kenne sich auch in der Steuerhinterziehung gut aus, stimmte Herr Wrtwra freu­dig zu.

»Umsatzbeteiligung ab sofort und später den ganzen Laden«, verlangte der junge Mensch. Nur zeigte es sich bald, dass er über den Export rein gar nichts wusste und in der Steuerhinter­ziehung ein Anfänger war, und so landete er zusammen mit Herrn Wrtwra im Gefängnis. Zwölf Jahre ohne Bewährung. Die Frau aber nahm sich einen, der nichts über Steuerhinterziehung und Export wusste, dafür aber nicht dumm war, und sie ver­kauften den Laden. Danach verlor man von ihnen jede Spur.

Der dritte aber saß unter einem Lindenbaum, als ein Mädchen vorbeikam. Sie war so schön, wie ein Mensch gar nicht schön sein kann. Wer sie sei, fragte er.

»Die Bienenkönigin«, antwortete sie.

Was wohl die Wahrheit war. Denn ein Mensch, ein Mensch konnte so schön nicht sein. Und die Bienen waren dem Jungen auch noch einiges schuldig.

So wurden sie Mann und Frau und lebten zusammen so glücklich, wie es das bei Menschen gar nicht gibt.

Janosch



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