Wer will schon mit Russen Urlaub machen?

Russen sind bei anderen Urlaubernationen nicht sonderlich beliebt. Sie gelten als laut, vulgär, trinkfreudig und angeberisch. Auch wenn Hoteliers ihre Trinkgeld-Dollarbündel schätzen, am Strand will sie keiner wirklich neben sich haben. Bekenntnisse einer peinlich berührten Moskauerin.

Von Ekaterina Maximova

Russische Touristen am Strand
Foto: picture-alliance/ ZB/dpa-Zentralbild
Russische Touristen am Strand

Eigentlich versuch ich so wenig wie möglich mit meinen Landesleuten aus Russland hier, in Deutschland, zu tun zu haben. Denn wer möchte schon mit einer lauten Tante in komischen Klamotten assoziiert werden? Niemand.

Russen sind laut, offen und direkt. Doch es ist manchmal besser, seine Meinung offen zu sagen, als grinsend üble Sachen mitzuteilen. So wie vor kurzem bei uns im Berliner Studentendorf Schlachtensee, als ich Waschmünzen kaufen wollte, was ohne Hausausweis nicht ging (lächelnd wurde mir mitgeteilt, dass keine Ausnahme gemacht werden könne. Gemein. Für euch gehört dieses — irgendwie kalte — Lächeln zum Service, für mich ist es eine Beleidigung. Doch ich will nicht, dass weiter gesagt wird, Russen können sich nicht benehmen und ging unverrichteter Dinge).

Derjenige, der sich "gut" verhält, fällt nicht auf. Und die Anzahl solcher Touristen aus Russland ähnelt dem verborgenen Teil eines Eisberges — russische Touristen sind gar nicht so schlimm. Im Ernst!

Ja, keiner will in Ägypten oder der Türkei das Hotel mit einer lärmenden russischen Touristengruppe teilen, weil er dann deren Stimmung unterlegen ist. Denn ein Russe muss alles besser können, auch schreien und singen.

Er will sich ständig etwas beweisen, und wenn er einen Deutschen laut lachen hört, denkt er: "Aha, ich zeig denen gleich. Mein Opa hat nicht umsonst am Reichstag gekämpft." Er kann es einfach nicht sein lassen. Ja, ja, die geheimnisvolle russische Seele.

Während der Sowjetzeit im eigenen Land eingesperrt, reisen nun die Russen um die ganze Erdkugel. Doch es gibt Orte, wohin reiche Russen massenweise reisen. Im Sommer sind es Zypern, die Türkei, Ägypten und Goa, und im Winter Courchevel, St. Moritz oder Kitzbühel. Wer zahlt, der bestimmt die Musik! Das Hotelpersonal muss Russisch lernen, es wird über alle Maßen getrunken, denn das ist "all inclusive" und Russen müssen (s. o.) immer das Beste haben: die vordersten Plätze im Bus, die dichtesten Plätze am Pool. Dabei glänzen sie wie Weihnachtsbäume dank reichlichem Schmuck und die Haut schimmert möhrenartig nach zu viel UV-Bestrahlung.

Ich bin nicht die einzige, die im Ausland russische Gesellschaft meidet. Ich hab Ausländer schon so viel über Russen klagen gehört, dass ich selbst einen Schreck bekommen habe. Auch einige meiner Bekannten aus Moskau fahren nur dahin, wo es keine Russen gibt.

Diese schleppen nämlich am Abend Liegen vom Strand in Bungalows, damit sie am nächsten Tag sich keine zu suchen brauchen. Meine Kommilitoninnen aus dem Studentendorf haben schon zweimal Einkaufswagen von Edeka nach Hause mitgeschleppt. Jedes Mal hieß es: Wir haben so viel gekauft, dass wir es nicht mehr tragen konnten. Praktisch, oder?

Russen essen einfach alles beim Frühstücksbuffet [bʏˈfe:] im Hotel auf oder nehmen den Rest mit. Hier muss ich zugeben, dass ich auch einmal etwas vom Tisch eingepackt habe: Während unserer Reise durch die neuen Bundesländer hatten wir kaum eine Pause zwischen lauter Führungen und Terminen, um sich was zum Essen zu holen. Und mich plagen kaum Gewissensbisse. Gewollt oder ungewollt, vertrete ich hier mein Land und habe auch manche Eigenschaften von meinem Volk übernommen, und ich hoffe nicht nur die übelsten.

Was ihr unbedingt von mir wissen sollt, ich komme hierher mindestens einmal pro Jahr, um neben den wichtigen Bildungs- und Geschäftsdingen hier auch einzukaufen. Hauptsächlich bei H&M, denn das gab es bis vor kurzem in Moskau nicht. Also keine teuren Markenklamotten. Aber doch einkaufen. Wie alle diese Russen, die hier um sich mit dem Geld rumschmeißen.

In Frankfurt am Main haben manche Geschäfte in der Goethestraße, der Einkaufsmeile, Russisch sprechende Verkäufer angestellt. So denken sofort alle Russen, dass sie dort geliebt werden, dabei werden sie nur wegen ihres Geldes geduldet. Es schwankt zwischen Russenliebe und -Hass, zwischen dem, was von meinen Landesleuten gedacht wird und dem, wie ich selbst zu einem positiven oder negativen Russenbild beitrage.

Die gängigsten Klischees über Russen: Ein reicher, so genannter "neuer Russe" kann ein Paar Brocken Englisch, mit einer gewaltigen Goldkette um den Hals und einem großen Wohlstandsbauch. Er wird begleitet von zwei weiblichen Schönheiten — mindestens 20 Jahre jünger als er selbst, geschminkt wie für den letzten Lebenstag, in Röcken, die man eher für einen verlängerten Pulli hält, auf schwindelerregend hohen Pfennigabsätzen der Kategorie, dass man sie durchaus als Tötungswaffe einsetzen kann.

Die ganze Russen-Clique kommt also in eine Bar, der Besitzer freut sich schon über eine fette Zeche, und schenkt allen ausgiebig ein. Und nun haben wir es. Der Gast ist betrunken, und der Besitzer klagt über sein Benehmen. Oh, those russians!

Doch genau diese Typen sterben aus. Das sind Dinosaurier. Wenn Sie einen sehen, dann haben Sie ja Glück, so was bekommt man nicht so oft zu betrachten. Genießen Sie es, Sie haben nachher viel zu erzählen, anstatt nur über das Wetter zu jammern. Was aber auf solche Typen folgt, wird sich erst mit der Zeit zeigen. So viel zu den Russen.

P.S. Gerade erst am zurückliegenden Wochenende bin ich nach Stockholm geflogen. Und so hatte ich deutsche Touristen nie erlebt. Ich bin mit dem Bus vom Stockholmer Flughafen nach Nyköping gefahren. Fünf betrunkene Deutsche waren eingestiegen. Zuerst hatten sie sich über den Fahrer lustig gemacht, der nicht so richtig Englisch konnte, und dann stimmten sie ein Lied an, in dem es ungefähr so ging: "Wir kommen aus Hamburg, und keiner liebt uns, scheiß egal, scheiß egal, scheiß egal".

Na, bitte, wer mag schon solche Typen? Ich saß da, und dachte: Bloß nicht jetzt zeigen, dass ich Deutsch verstehe. Mit denen will ich auch nichts zu tun haben.

http://www.welt.de/reise/article4980769/Wer-will-schon-mit-Russen-Urlaub-machen.html

1. Erklären Sie auf Deutsch.

  1. auffallen, auffällig
  2. die Beleidigung
  3. Gewissensbisse (PL)
  4. mit dem Geld rumschmeißen
  5. die Clique
  6. der Dinosaurier
  7. eine fette Zeche
  8. jammern + über

2. Äußern Sie sich zu den folgenden Thesen.

  1. Die Russen können sich nicht benehmen.
  2. Ich würde mich lieber ohne andere Russen erholen. Alle andere Nationalitäten sind viel netter!

3. Welche sind die gängigsten Klischees über Russen laut Ekaterina? Was stimmt? Was stimmt teilweise? Was stimmt gar nicht? Äußern Sie Ihre Meinung.

4. Ergänzen Sie die Sätze.

  1. Ein typischer japanische Tourist ...
  2. Ein typischer koreanische Tourist ...
  3. Ein typischer italienische Tourist ...
  4. Ein typischer amerikanische Tourist ...
  5. Ein typischer deutsche Tourist ...

Über welche Nationalitäten können Sie viel sagen? Warum?



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