Spielzeug

von Rafik Schami

Am Strand in Italien, wo wir den Sommer verbrachten, verschwand täglich gegen Mittag das Spielzeug von unserem Sohn. Er aber spielte mit fremden Baggern, Lastwagen, Schaufeln und Bällen. Jeden Abend kehrte sein Spielzeug zurück, und stattdessen verschwan­den die fremden Boote, Bälle, Lastwagen und Schaufeln. Zwei Wochen ging nicht einmal eine Muschel verloren. Wir waren die einzigen Fremden unter den Italienern.

Dann kamen zwei deutsche Familien. Ihre Kinder waren sehr höflich, aber dass ein an­derer mit ihren Sachen spielte, wollten sie nicht. Allerdings verschwanden am ersten Tag mehrere Lastwagen, Schaufeln und Bälle, am nächsten Tag passierte das gleiche. Einige unter den Italienern flüsterten, es seien die Deut­schen, die das Spielzeug klauten. Doch die Behauptung war falsch, wie nach fünf Tagen herauskam. Die Deutschen waren nichts als korrekt. Abends überprüften sie das Spielzeug ihrer Kinder und übergaben die fremden Teile dem Bademeister, der in ihren Augen auf sei­nem Strand auch für Fundsachen zuständig war. Die Italiener wären nie auf die Idee ge­kommen, bei ihm nach dem Spielzeug zu fra­gen, das Tag für Tag fehlte.

Eines Tages jedoch hatte der Bademeister ganz offenkundig nicht nur die Nase, sondern auch seine winzige Kabine voll. Gerade kam wieder einer der Deutschen mit einem Eimer aus Kunststoff zu ihm. »Basta!« schrie plötzlich der Bademeister, holte das ganze gesammelte Zeug und warf es demonstrativ auf den Strand. Und als nächstes riss er dem verblüfften Deut­schen den Eimer aus der Hand und warf ihn zu dem bunten Haufen. Dann klatschte er in die Hände, wie Südländer es tun, wenn sie sagen wollen: »Schluss! Aus! Erledigt!«

Von diesem Tag an kehrten bei Sonnenun­tergang alle Spielsachen zu ihren Heimatorten zurück.